Ich hab ihn eigentlich all die Jahre geschaut, den Eurovision Song Contest. Nur als ich die zwei Jahre auf Reisen war, da hab ich ihn verpasst. Im Nachhinein muss ich sagen, leider. Ich hörte nur, dass eine Conchita Wurst für Österreich gewonnen hatte. Einige Zeit später sah ich dann auch mal ihr Bild und nahm an, dass es sich, auch aufgrund des Nachnamens, um eine Eurovision-Lachnummer handle, wie es sie ja bereits öfters gegeben hatte.
Als ich im Frühjahr diesen Jahres auf Zwischenstation in der Schweiz war, wollte ich mir doch mal den Siegertitel anhören, und mir wurde ziemlich schnell klar, dass es dabei nicht um Komik à la Guildo Horn oder Stefan Raab ging, sondern dass es ein ernsthafter und bezaubernder Beitrag mit einer ungeheuren Wucht aus unserem verehrten Nachbarland war. (Ich weiss nicht, wo oft ich den Beitrag inzwischen schon gesehen habe…https://www.youtube.com/watch?v=QRUIava4WRM#action=share).
Und seitdem liebe und bewundere ich Conchita (inzwischen ohne Wurst) für ihren Mut, ihre Authentizität, ihre Liebe, ihren Respekt. Nicht nur kann sie singen und besticht mit weiblicher Eleganz, die wir ihr erst einmal nachmachen müssen, sie hat auch eine Message und sorgt dafür, dass diese um die Welt geht.
Diese Tage habe ich dann auch ihr Buch (Ich, Conchita – We Are Unstoppable) gelesen sowie einmal mehr mehrere Interviews mit ihr gehört (https://www.youtube.com/watch?v=50qhsih8fWc, https://www.youtube.com/watch?v=9OIJ4QHQlcA u.a.). Was dabei auffällt, dass sie sich mit einer unglaublichen Grösse nie negativ oder gar abschätzig über ihre „Gegner“ beziehungsweise die Leute, die sie anfeinden, äussert. Sie nimmt die Beschimpfungen mit einer eindrucksvollen Grazie hin und macht ihr Ding. Und das schon in jungen Jahren…
Ich bin froh, gibt es sie, dass sie nie aufgegeben hat und diese Welt durch ihr Talent und ihre Botschaft bereichert. Auch tut es gut zu sehen, wie ihr die Herzen zufliegen. Dass da viele sind, weltweit, die ihre Botschaft unterstützen und ihr Flügel verleihen.
Sie will es gar nicht, dass man sie als Vorbild sieht, und doch denke ich, dass sie es für viele ist. Auch gerade weil sie sich nicht zu diesem ernennt. Sondern einfach sich treu bleibt – mögen andere sagen, was sie wollen – und macht, was ihr wichtig ist.
Wenn ich mir vorstelle, sie hätte sich beirren, von ihrem Weg abbringen lassen, wie viel wäre der Welt genommen worden – an Farbe, an Liebe, an Kreativität. Und wie viel Andersartigkeit gibt es wohl da draussen, die gezeigt, geboren, gelebt werden will. Egal, was andere davon halten, die Angst vor ihr haben, solch grosse Angst, der sie sich nicht gewachsen zu fühlen scheinen.
Wann immer ich an der Welt zu verzweifelt drohe, dann halte ich mich daran fest, dass sich mehr und mehr „Andersartige“ erlauben, die Konditionierungen zu durchbrechen und Farbe zu bekennen, Liebe und Respekt zu leben, Vielfalt und Authentizität. Dass es nicht länger ein Ich oder die Anderen sein muss, sondern ein Ich und die Anderen sein darf. Dass wir uns zu leben getrauen und genauso auch leben zu lassen, denn dafür sind wir doch eigentlich da… Und wie Conchita in ihrem Buch so schön meint: „Was wäre die Welt für ein trauriger Ort, wenn Leute, denen ohnehin nichts gefällt und die an allem etwas zu nörgeln haben, bestimmten, wo es langgeht.“