Gedanken über mich und die Welt / just thinking...

Gedanken zur Flüchtlingssituation in Berlin und überall

Ich hatte noch nie eine Zeitung abonniert und in meinen eigenen vier Wänden auch noch keinen Fernseher. Ich schaue weder die Tagesschau noch bemühe ich mich anderweitig, newstechnisch auf dem Laufenden zu sein. Mir scheint vieles sowieso nur verzerrt, einseitig, reisserisch wiedergegeben zu werden, zudem ist es zu einem sehr grossen Teil erdrückend negativ. Nein, es ist mir nicht egal, wenn andere leiden, hungern, vertrieben werden, ganz und gar nicht, aber ob ich Nachrichten schaue oder Zeitung lese, mich mit Schreckensmeldungen vollstopfe, es ändert nichts daran. Auch weiss ich herzlich wenig über die politische Lage in Berlin, über die politische Lage allgemein, muss ich jetzt einfach mal so zugeben. Ich könnte es darauf schieben, dass ich die letzten Jahr im Ausland und auf Reisen war, aber es stand auch davor nicht dermassen viel besser um mein politisches Interesse.

Was da also warum und wieso wie genau abgeht, ich weiss es nicht. Und dennoch masse ich mir an, darüber zu schreiben. Nur ein paar persönliche Gedanken und Beobachtungen, ohne irgendeinen Geltungswert für sie zu beanspruchen. Denn irgendwie sind diese Nachrichten dann doch auch zu mir durchgedrungen, Facebook und Freunden sei Dank. Also habe ich etwas recherchiert, um mehr zu erfahren. Vor allem fand ich Polemik und Schuldzuweisungen. Eine unschöne Situation, die nun wieder alle möglichen Interessenverbände für sich auszuschlachten scheinen. Jeder will es besser gewusst und gemacht haben und sowieso der Überlegene sein. Doch geht es darum bzw. darf es in der Krise darum gehen? Fakt ist doch, dass da Hunderte von Menschen auf der Strasse/im Park sitzen, seit Tagen, und warten. Worauf? Dass etwas geht, dass vorwärts gemacht wird. Auf eine Lösung.

Auch ich suche gerne nach Schuldigen, gehe wohl davon aus, dass das Leben mir gefällig zu sein hat, und ist es das nicht, dann muss da jemand die Verantwortung für tragen; ich – oder bedeutend lieber andere. Doch ist nichts schwarz oder weiss, und das Leben manchmal einfach unbequem, schockierend, beängstigend. Und das soll es vielleicht auch sein, so ungerne wir dies haben. Ich will die Lage bestimmt nicht beschönigen, bagatellisieren, und wenn da Verschiedenes versäumt worden ist, dies herunterspielen. Ich hoffe aber auch und möchte davon ausgehen, dass alle Beteiligten daraus lernen werden. Was jetzt ist, das ist leider und wird nicht besser, indem jeder für sich in eine Richtung zerrt.

Ich war vor Ort, Freitag, Samstag, Montag,… Ich sass vor allem herum und sah viele Leute, die gerne helfen wollten, aber nicht so recht wussten, wie und wo denn nun. Als ausgebildete Sozialarbeiterin hatte ich auch das LaGeSo direkt angeschrieben und ihnen meine ehrenamtliche Hilfe angeboten, aber (noch) keine Antwort erhalten – sie werden wohl anderweitig beschäftigt sein und auch gar nicht dürfen. Ich habe selbst einmal auf einem dem Namen nach sozialen Amt gearbeitet, und es sieht schwer danach aus, dass die Arbeitsbedingungen in solchen Betrieben überall ähnlich prekär sind. Ich habe bereits mehrfach von LaGeSo-Mitarbeitenden gehört, die pausenlos arbeiteten, total überlastet und unterbesetzt seien und schätzungsweise gehörig unter Druck stehen. Natürlich, auch ich hatte mich damals als kleines Rad im grossen Ganzen oft gefragt, warum oben nicht mehr geht, warum zugeschaut wird, während die Mitarbeitenden der Reihe nach umfallen – die Klienten notgedrungen zu Nummern werden und die Mitarbeitenden zu Maschinen mutieren sollen. Wer diesen Sprung schafft, überlebt, alle anderen gehen wohl früher oder später unter oder schaffen noch rechtzeitig den Absprung. Die Oben sollen handeln, doch fordert die Gesellschaft nicht auch von genau diesen, dass sie konstant die Kosten senken und sparen? Möglichst billig soll es sein, das Sozialwesen. Und dies fordert notgedrungen seinen Preis. Keiner kann mehr leisten, als er nun mal leisten kann, egal wie viel mehr er vielleicht gerne leisten möchte.

Ich glaube, dass es generell zu kurz gegriffen ist, einem die Verantwortung für solche Zustände zuschieben zu wollen. Sind wir nicht vielmehr alle in der Verantwortung? Und ist die Krise da, ruft sie dann nicht nach einer Lösung, zu der wir nicht kommen, wenn wir gegenseitig mit dem Finger aufeinander zeigen, sondern nur wenn wir uns zusammen schliessen und gemeinsam in eine sinnvolle Richtung ziehen, mit vereinten Kräften. Meiner Meinung nach arbeiten nur die Wenigstens gut und inspiriert unter (massivem) Druck – ich jedenfalls nicht. Als doch sehr liberal denkender Mensch kämpfe ich auch immer wieder mit gewissen, meiner Meinung nach, verbohrten, rückständigen, intoleranten Meinungen. Dennoch, wie bereits gesagt, ist nichts schwarz und nichts weiss und keiner hat nur unrecht oder recht. Alle werden gebraucht, denn alle sind wir hier, und alle haben wir ein Recht darauf, gehört und in unseren Bedürfnissen respektiert zu werden – solange wir damit nicht anderen schaden, was dann natürlich wieder sehr unterschiedlich ausgelegt werden kann, hier jetzt aber einfach mal so stehen gelassen wird.

Ich hatte zu Beginn dieses Posts aber Beobachtungen versprochen. Also weg von Gedankengängen, Annahmen und Assoziationen, hin zu dem, was ist. Jedenfalls so gut ich das kann, ohne es doch wieder subjektiv einzufärben. Ich bin hin zum LaGeSo, denn auch ich wollte helfen. Als ich Freitagnachmittag da war, schien die Lage gerade relativ entspannt – insofern man dieses Wort in diesem Kontext überhaupt benutzen kann. Ich bin dann aber ziemlich schnell weiter vermittelt worden an eine Hilfsorganisation, die für eine gewisse Anzahl Flüchtlinge Betten bereitgestellt und Essen auf dem Tisch hatte. Nur sassen wir da und warteten und warteten und warteten. Irgendwann spät gab es dann wohl doch noch Listen, gemäss denen die Flüchtlinge in die Unterkünfte verteilt wurden. Sie erhielten eine Fahrkarte sowie eine deutsche Wegbeschreibung und sollten so ihren Weg zu der Unterkunft finden. Warum, weshalb, wieso weiss ich nicht, aber es kamen gerade einmal ein Viertel bei uns auch an. Der Rest der Betten blieb leer, auch am nächsten Tag noch, als wir wieder zu mehreren Personen dort sassen und warteten. Ob die Flüchtlinge lieber in der Nähe des LaGeSo blieben, um montags bei der Nummernvergabe vorne mit dabei zu sein, aus Angst, etwas zu verpassen, ob sie in einer anderen Unterkunft landeten – ich kann nur Vermutungen anstellen. Diejenigen, die kamen, sah ich alle am Montag wieder vor dem LaGeSo.

Nach einem wilden Durcheinander auf Facebook an den vorherigen Tagen, gab es am Montag eine Internetseite (http://www.berlin-hilft-lageso.de), die versprach, das Ganze nun besser zu koordinieren und die um genaue Angaben betreffend Ausbildung und Verfügbarkeit bat. Also meldete ich mich erneut, wurde gebeten gleich zu kommen…und sass wieder länger herum, sollte auf irgendwelche Aufgaben warten, für die es mich dann aber doch nie brauchte, bis ich dann beschloss, zu gehen, da auf dem Areal schon genug Leute herumschwirrten und ich nicht im Weg stehen wollte.

Seit Tagen sitzen sie da, und es darf eigentlich nicht sein, dennoch ist es so. Keinen lässt die Situation wohl kalt, und vielen macht sie vielleicht auch Angst, was ich verstehen kann. Solche Leute dann als Rassisten zu verschmähen, finde ich wenig sinnvoll, denn Angst verschwindet nicht, indem man sie bekämpft. Sie sucht Verständnis, Raum, einen respektvollen Austausch, Anerkennung. Was ich aber auch sah, zuhauf, war ein Miteinander, Einsatz von unzähligen Freiwilligen aus allen Nationen und Schichten, Menschlichkeit, Mitgefühl und Liebe. Und das fand ich unglaublich schön. Daran möchte ich festhalten in all dem Durcheinander und Chaos, in all der Not. Und ich hoffe sehr, dass es auch das ist, was die Flüchtlinge wahrnehmen, in all der Schwere, die sie zu tragen haben, dass da doch auch so viele Menschen sind, die sich um sie bemühen, sie willkommen heissen und ihnen wohlgesinnt sind, sie als ihresgleichen achten. Dass wir doch eben eins sind, egal woher wir auch kommen mögen, und im selben Boot sitzen. Wie ein Aborigine in Australien zur dortigen Debatte im Gespräch mit mir so schön meinte, er verstehe das Problem nicht, dass die Weissen mit den Bootsflüchtlingen hätten. Sie seien vor nicht allzu langer Zeit doch auch im Boot gekommen…

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